Kontrastprogramm zu "Deutschland sucht das Supertalent" in Koblenz

Vorlese-Darbietung mit Beatrix Berger erntete stehenden Beifall


Eine ganz andere Art von Kultur konnte man genießen, wenn man sich am Samstagabend dem 10.11.2012 vom Fernseher weg ins JuBüZ in Koblenz bemüht hatte. Hier war live Gänsehaut zu spüren.
Beatrix Berger, ihre Schwester Ellinor Haase, das Team des JuBüZ, die Mitglieder des Vorleseclubs des JuBüZ sowie der Musiker Charly Breck lieferten eine Vorlese-Performance vom Feinsten.
Beatrix Berger stellte ihr eigenes Buch "Die Achse der Erde" und den Gedichtband "Zeit in Versen" vor.
Die Autorin aus Melsbach führte in ihren Roman ein. Dabei schilderte sie dem Zuhörer ein lebendiges Bild der Geschichte. Wie sie sagte, nimmt sie Anleihen aus ihrem eigenen Leben und Erleben.
Das Buch erzählt die Geschichte von dreißig Jahren im Leben von Maxie und Pejü. Beide leiden an unheilbaren Erkrankungen und gleichen sie durch kreative Arbeit aus. Ihr Motto heißt: "Abschied nehmen in Frieden; die Versöhnung mit dem, was das Leben bereithält, auch wenn es unerträglich scheint."

Dementsprechend eröffnete Beatrix Berger die Veranstaltung mit Ihrem derzeitigen Lieblingszitat von Oskar Wilde: "Am Ende wird alles gut - und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende!"
Weil die Autorin an Multipler Sklerose erkrankt ist, konnte sie nicht selbst vorlesen. Dies übernahm ihre Schwester Ellinor Haase. Die Mitglieder des Vorleseclubs Edelgard, Bärbel, Dagmar, Maria und Rainer folgten ihr mit Dialogen aus dem Buch. Sie wirkten derart lebendig, dass es fast einer Theaterinszenierung glich.

Beatrix Berger

Besonders in zwei Szenen neigte der Roman zu allem anderen als Schwermut:
Man stelle sich vor, dass eine junge Frau, die bis zu diesem Zeitpunkt weder einen Schnellkochtopf gesehen noch jemals Rosenkohl gekocht hat, sich dieser Herausforderung aus Liebe stellt. Sie putzt den Blumenkohl und lässt ihn 30 Minuten im Schnellkochtopf schmoren. Das Ergebnis kann sich wohl Jeder vorstellen. Aber Maxie verkauft dieses Ergebnis kreativ als russisches Spezialgericht.
In einer weiteren Szene fand das Publikum sich selbst lachend wieder. Im späteren Alter bringt Pejü den Wunsch nach getrennten Schlafzimmern vor. Vorsichtig werden Marotten offen gelegt und diskutiert, wie sie nun ein Mal das allzu Menschliche ausmachen.
Charly Breck untermalte die Vorlesungen und Erläuterungen mehrmals mit Darbietungen auf dem Keyboard. Er hatte früher musikalisch mit dem im Januar 2011 verstorbenen Ehemann Bernd Berger zusammen gearbeitet. Der Tonkünstler ist selbst seit seiner Geburt schwer im Sehen behindert. Mit beeindruckendem Gespür fühlte er die Stimmungen des Buches nach. So war seine musikalische Untermalung gleichzeitig Pause wie auch Verstärkung des Gehörten.
Besonders seine eigene Version des Stücks "Der Marienkäfer" fiel auf. Erst liegt in einer Szene Pejü Monate lang im Krankenhaus auf der Intensivstation. Seine Krankheit lässt ihn kaum atmen. Dann spielt Breck erst werkgetreu die bekannte Version und danach diejenige, die nach seinen Worten Bernd Berger als passend empfunden hätte. Diese wirkt gleichzeitig bedrohlich, gewaltig und laut. Sie wechselt zwischen Harmonien und Dissonanzen und dann wieder fröhlichen und verspielten Passagen Genau so spiegelte er die gesamte Veranstaltung mit Menschen mit Handicap. Ihre Trauer, ihr Kampf ist zu spüren. Und trotzdem ist da Leichtigkeit, Humor und sehr viel Mut. Menschen nehmen es sich trotz Krankheit heraus, etwas im Leben zu bewegen und auf die Beine zu stellen.

Charly Breck


Der verstorbene Mann von Beatrix Berger hatte noch auf der Intensivstation Gedichte verfasst. Seine Witwe wählte etwa 30 aus und veröffentlichte sie in einem Band. Die Illustrationen stammen von der Künstlerin Franziska Kao. Der Vorleseclub trug Einige in ihrer Kraftfülle und Intensität vor.
Aber mit ihrem Lebenswillen und Optimismus führte Beatrix Berger über Intensivstation und Totenehrung hinaus. Die Zuhörer genossen zum Abschluss wieder ihren Roman in all seiner Lebenskraft.

Abschließend freut sich die Rezensentin von Herzen, dass sie diese alternative Veranstaltung live erlebt hat statt DSDS, den Musikantenstadl oder einer US-Massenproduktion vor der Glotze.

Wer Beatrix Berger live erleben will, hat eine weitere Möglichkeit bei ihrer Buch Performance in Rengsdorf - am Samstag dem 17. November 2012 - um 18:30 Uhr - im evangelischen Gemeindehaus, Pfarrer-Knappmann-Str. 7.

>>> weitere Fotos (auf www.lebendiges-koblenz.de) >>>

>>> zur Website der Autorin (externer Link) >>>

Text und Fotos: Elke Döbbeler