Vortrag von Prof. Götz Werner über das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) in der Marktkirche Neuwied am 23.04.2013

Die Marktkirche in Neuwied als Rahmen des Vortrags zu nehmen, war eine gute Idee, auch wenn die akustischen Verhältnisse etwas schwierig waren. Wie der Beigeordnete Herr Jürgen Moritz erwähnte, war dieser Vortrag von Götz Werner der Höhepunkt der 350 Jahrfeier der Neuwieder Freiheitsrechte.

Denn was für eine Freiheit könnte ein Grundeinkommen gewähren?
Welche Kräfte würde das freisetzen?

Die Freiheit jedes Einzelnen wäre gewährleistet. Jeder könnte sich verwirklichen und es würde jede Menge Kreativität freigesetzt werden, die wiederum der Gesellschaft zugutekommen würde.
Zwänge würden abgeschafft und jedes gesellschaftliche Einbringen würde auf freiwilliger Basis geschehen. Es gäbe kein: "Ich hätte ja was anderes gelernt, wenn ich nur die Möglichkeit dazu gehabt hätte."

Jetzt sagen aber viele: "Wenn jeder ein Grundeinkommen erhalten würde, würden die Menschen nicht mehr arbeiten."


Götz Werner sprach in diesem Zusammenhang davon, dass wir den einzelnen Menschen in unserer Gesellschaft mehr zutrauen sollen, denn nur so ist es möglich, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.
Der Mensch kommt als Mensch auf die Welt mit dem Ziel, sich zu entwickeln. Entwickeln bedeutet Veränderung und Lernen. Dies geschieht durch Arbeit. Wer sich nicht verändert, verkümmert. Und das lässt sich sogar auf die Marktpolitik übertragen (siehe Schlecker). Der Wunsch sich zu entwickelt liegt in der Natur des Menschen.

Götz Werners Hauptanliegen ist es, zu vermitteln, dass wir Arbeit und Entgeld heute in einem verkehrten Zusammenhang sehen: Er erzählte von einer netten Begebenheit, die er nach dem Vorlesen eines Märchens in einer Schulklasse erlebt hat: Eines der sehr aufmerksamen Kinder fragte ihn frei heraus: "Was arbeitest Du?" Sprachlos stellte Herr Werner die Gegenfrage an die Kinder :"Was versteht Ihr unter Arbeit?". Die Antwort kam prompt und ohne Nachdenken: " Arbeit ist, was gut bezahlt wird."
Arbeiten wir also nur, um Geld zu bekommen? Und was ist mit der vielen Arbeit, die nicht bezahlt wird, wie Kindererziehung, Haushalt, Pflege von Angehörigen bis hin zum Ehrenamt. Ist dies keine Arbeit? Bringt diese Arbeit der Gesellschaft keinen Mehrwert, nur weil sie freiwillig ist und nicht bezahlt wird?
Stellen wir uns mal eine Gesellschaft vor ohne all diese "freiwillige" Arbeit. Möchten Sie darin leben? Könnten Sie darin leben? Es wäre wohl eine Katastrophe.

Aber wer leistet diese Arbeit? Laut Götz Werner, derjenige, der es sich leisten kann. In zahlreichen Einstellungsgesprächen kam ihm irgendwann die Idee, dass wir eigentlich verkehrt herum denken. Nicht die Arbeit führt zum Entgeld, sondern die "Bezahlung" führt dazu, dass der Betreffende überhaupt erst anfangen kann zu arbeiten.
Er führte dies auch nach mit verschiedenen Beispielen auf. Nehmen wir das allseits bekannte und beliebte Monopoly-Spiel. Und nun stellen wir uns vor, es gibt das Losfeld nicht, und Sie erhalten keine regelmäßigen Einkünfte, mit denen sie rechnen, planen und investieren können. Das Spiel wäre sehr schnell beendet.


von links nach rechts: Pressesprecher Erhard Jung, Pfarre Werner Zupp, Professor Götz Werner, Beigeordnete Jürgen Moritz


Oder Sie kaufen ein Auto und bezahlen es. Doch im Grunde bezahlen Sie nicht dieses Auto, denn das ist bezahlt, sondern sie bezahlen die Möglichkeit, dass ein neues Auto hergestellt werden kann.
Letztendlich die Tube Zahnpasta in einer seiner Filialen, die einer seiner Kunde erwirbt, ist im Grunde schon bezahlt, denn sonst wäre sie gar nicht vorhanden. Der Wechsel von Bargeld dient nur dazu, dass eine Tube Zahncreme wieder ins Regal gestellt werden kann.
Ebenso dient ein Grundeinkommen dazu, Kräfte freizusetzen, Kreativität zu fördern, ein gerechtes Zusammenleben zu fördern, und es dem Menschen zu ermöglichen, sich in die Gesellschaft einzubringen.

Ein Miteinander statt ein Gegeneinander.

In der abschließenden Fragerunde kamen noch zwei interessante Punkte zum Ausdruck:
Es gibt schon zwei erfolgreiche Pilotprojekte zum Thema Grundeinkommen. Es wurde deutlich, dass bei den sehr zahlreichen Besuchern der Veranstaltung der Wunsch nach einem Wandel in der Gesellschaftspolitik langsam Gestalt annimmt.
So gibt es in Neuwied auch eine Gruppe, die sich einmal im Monat zum Thema BGE trifft. Das nächste Treffen ist am 14. Mai 2013 um 20 Uhr im Mehrgenerationenhaus, Wilhelm-Leuchner-Str. 5 in Neuwied. Interessierte sind herzlich willkomen.

Text: Joe Schmelzer, Elke Döbbeler
Fotos: Elke Döbbeler


Foto unten: Professor Götz Werner bei seinem Vortrag über das Grundeinkommen in der Marktkirche Neuwied