Am Montag, den 17.09.2012 stellte Frau Esther S. Shoemaker die Intervention zur Senkung der Kaiserschnittrate im food hotel Neuwied vor.
Moderiert wurde die Veranstaltung von ihrem Vater, dem Zahnarzt Paul P. Baum.

Zahlreiche Interessierte waren gekommen, darunter Frau Dr. Anja Meurer, Obfrau der Kreisärzteschaft /Arzt- und Patientenstammtisch, Fr. Dr. Henk, Oberärztin des Marienhaus Klinikums St. Elisabeth Neuwied in Vertretung von Herrn Prof. Dr. Berger, Herr Dr. Yehia Saklaoui, Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe des DRK-Krankenhauses Neuwied, sowie viele Hebammen und drei weitere Ärzte. Sogar die Barmerkrankenkasse hatte eine Beobachterin geschickt.

Hintergrund dieser Intervention ist, dass in OECD-Ländern die Kaiserschnittrate enorm hoch geworden ist. Zum Vergleich: in Finnland liegt die Rate bei 15 % bei gleichzeitig niedriger Säuglingssterblichkeit, in Deutschland bei 30.3 % aller Geburten.
Leicht niedriger ist sie in Kanada, wo die vorgestellte Forschungsstudie am Markham Stouffville Hospital seit 2010 durchgeführt wird.

Frau Shoemaker berichtete über die ersten Ergebnisse:
Bei der Untersuchung zur Senkung vermeidbarer Kaiserschnitte stellt sie drei mögliche Bezugspunkte dar. Einmal den Fötus, dann die Schwangere und letztlich die Geburtshelfer.
Als ersten Punkt beleuchtet sie die Geburtshelfer, bzw. das Krankenhaus. Dieses steht vor dem Problem, das es im Jahr 2010 circa 3000 Geburten gab und für das Jahr 2014 sogar 4000 Geburten erwarten werden. Das führt zu Budget Problemen, die entweder dadurch gelöst werden können, dass man Schwangere an andere Krankenhäuser verweist oder dass man die Kosten reduziert. Klar war, dass man keine Frau wegschicken wollte.

Esther S. Shoemaker

Um Antworten zu finden, fand im April 2010 hierzu ein Audit statt. Es wurde festgestellt, dass die Kaiserschnittrate bei 33% liegt Außerdem entdeckte man, dass nur bei 15% der Schwangeren, die schon vorher mit Kaiserschnitt (Sectio) entbunden hatten, eine normale Geburt versucht wurde, obwohl 70 % der Versuche erfolgreich verläuft.
Weiterhin stellte man fest, dass bei 24 % aller Gebärenden, bei denen die 41. Schwangerschaftswoche noch nicht erreicht war, die Geburt eingeleitet wurde.

Als Ziel setzte formulierte man, die Kaiserschnittrate unter 25 % zu senken und die Versucher einer normalen Geburt nach vorherigem Kaiserschnitt auf über 25 % zu erhöhen.

Die Vorgehensweise war folgende:
Man setzte nun auf eine kontinuierliche Patientenbetreuung in der Geburtsphase. Die Gebärenden wurden in der Zeit nicht immer wieder allein gelassen, so dass sich der Geburtsstress verringert. Dafür wurden unter anderem spezielle Arbeitsplätze geschaffen. Das Pflegepersonal konnte nun in der Nähe der Schwangeren Arbeitsblätter bearbeiten oder Kurven schreiben. Außerdem wurde sie alle mit einer Art Walkie Talky ausgerüstet, blieben also erreichbar, ohne weggehen zu müssen.
Zusätzlich wurde für eine häusliche Atmosphäre im Kreissaal gesorgt. Ein gutes Beispiel dafür nennt Shoemaker mit dem Anbringen eines runden Vorhanges vor der Tür, der dazu dient, dass die Gebärende nicht sofort vom Flur aus sichtbar ist, wenn die Tür geöffnet wird.

Paul P.Baum

Ein weiterer Programmpunkt war die Einführung einer Evidenz-basierten Patientenaufklärung.
Patientinnen erhielten im ersten Drittel der Schwangerschaft ein so genanntes blaues Buch ausgehändigt, das sie besser informieren soll.
Zusätzlich gibt es nun Informationen in Geburtsvorbeitungskursen für die Schwangeren und speziell für diejenigen, die bei der vorherigen Geburt einen Kaiserschnitt hatten.
Abgerundet wurde dies durch eine öffentliche Informationskampagne mit Flyern und Aushängen im Krankenhaus.

Für das Pflegepersonal und die Fachärzten wurden Audits eingeführt. Die jeweilige Kaiserschnittrate wird bestimmt und veröffentlicht, so dass jeder seinen eigenen Stand im Verhältnis zu den anderen sehen kann.

Analysen zeigten, dass die Art des Systems bei der Senkung der Kaiserschnittrate sehr wirkungsvoll ist.

Zusätzlich wurde noch einmal speziell der Zeitpunkt einer Geburtseinleitung untersucht.
Im Mai 2010 wurden 43% der Geburten zwischen der 40. und 41. Schwangerschaftswoche eingeleitet. Ab Oktober 2010 wurde dies nun erst ab der 41. Woche getan.
Es stellte sich heraus, dass bei einer vorzeitigen Einleitung die Anzahl der Kaiserschnitte deutlich höher war, während diese sich im Vergleich zu einer normalen Geburt bei einer Geburtseinleitung ab der 41. Woche nicht änderte. Jedoch sank bei letzerem zusätzlich die Säuglingssterblichkeit.

Nach dem Vortrag erläuterte Dr. Yehia Sakloui, Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe des DRK Krankenhauses Neuwied in kurzen Worten die momentane Situation in Deutschland:
Hier sei es Mode geworden, dass Frauen einen Kaiserschnitt wünschen. Es wird versucht hinter die Gründe für diesen Wunsch zu kommen. Eine Möglichkeit sei es, dass in Deutschland viele Frauen nur ein Kind haben wollen und um kein Risiko einzugehen, einen Kaiserschnitt präferieren. In Wirklichkeit sei dabei das Risiko für Mutter und Kind höher. Hier bestehe dringender Aufklärungsbedarf. Dr. Sakloui erwähnte auch, dass früher nur 7 % aller Geburten ein Kaiserschnitt war. Erhöhte sich die Anzahl, fragten schon mal Institutionen oder Krankenkassen nach. Heute fragt keiner mehr danach.
Außerdem sei es aussagekräftig, dass es keine Gerichtsprozesse gäbe, weil ein Kaiserschnitt gewählt wurde, wohl aber Gerichtsverfahren, weil keiner gemacht wurde.

Paul P. Baum und Esther S. Shoemaker

In der anschließenden lebhaften Diskussion merkte man, dass das Thema allen am Herzen lag. Es wurde erwähnt, dass wenn in Deutschland eine Frau einen Kaiserschnitt möchte, sie diesen auch bekomme.
Eine Hebamme hob hervor, dass bei einer Schwangerschaft der erste Weg, der zum Gynäkologen sei. Ein möglicher erster Weg mit guter Aufklärung jedoch auch eine Hebamme sein könne.
Es gab eine Aufforderung nach verstärkter Zusammenarbeit zwischen Fachärzten, Hausärzten und Hebammen.
Immer wieder wurde erwähnt, dass es zu wenig Aufklärung gäbe. Insbesondere sei bei einer Steißlage und bei einer Zwillingsgeburt nicht immer ein Kaiserschnitt erforderlich.
Aufklärung könne helfen, Frauen die Angst zu nehmen.

Foto unten:
Präsentation im food hotel von Esther S. Shoemaker
Text und Fotos: Elke Döbbeler