Pioniere aus der Not heraus: 35 Jahre Kampf gegen den Blutkrebs
Stefan-Morsch-Stiftung, Deutschlands erste Stammzellspenderdatei feiert Jubiläum
Vor 35 Jahren gründeten Hiltrud und Emil Morsch aus dem rheinland-pfälzischen Birkenfeld die Stefan-Morsch-Stiftung – mit dem Ziel, Menschen mit Blutkrebs eine echte Chance auf Überleben zu ermöglichen. Deutschlands erste Stammzellspenderdatei soll dabei helfen, einen geeigneten, nicht-verwandten Stammzellspender für Betroffene zu finden. Das Ehepaar verwirklichte damit den Traum ihres verstorbenen Sohnes Stefan – und schenkt vielen Erkrankten und ihren Familien damit neuen Mut und Hoffnung auf Leben.
Bruno Zimmer, Vorstand und Susanne Morsch, Vorstandsvorsitzende Deutschlands erster Stammzellspenderdatei. Foto: Stefan-Morsch-Stiftung
Anfang der 1980er Jahre erkrankt der damals 16-jährige Stefan Morsch aus dem rheinland-pfälzischen Birkenfeld an Leukämie. Seine Schwester Susanne, heutige Vorstandsvorsitzende der Stiftung, war damals acht Jahre alt. Stefan benötigt eine Stammzelltransplantation, um überleben zu können – doch kein Familienmitglied kommt als Spender in Frage. Was heute fast selbstverständlich ist, war damals medizinisches Neuland: die Übertragung von Stammzellen eines nicht-verwandten Spenders. Es gab nichts, worauf die Familie ihre Hoffnung setzen konnte: „Aber meine Eltern haben niemals aufgegeben. In England fanden sie eine Spenderdatei und einen passenden Spender. Eine Klinik in Seattle war bereit, die Transplantation durchzuführen“, erzählt Susanne Morsch rückblickend. Die Kosten für die noch experimentelle Behandlung wurden von den Krankenkassen allerdings nicht übernommen und die Familie musste sie selbst tragen – ein herber Rückschlag für ihr Hoffen. Ein Geldspendenaufruf bewegte dann über den Hunsrück hinaus bundes- und weltweit Menschen dazu, die Familie in ihrem verzweifelten Kampf um das Leben ihres Kindes zu unterstützen. „Ich erinnere mich an lange Schlangen vor den Banken. Kinder gaben alles, was in ihrem Sparschwein war. Das war unglaublich und für uns sehr bewegend“, beschreibt die heutige Vorstandsvorsitzende der Stiftung ihre Gefühle. Innerhalb kürzester Zeit kam genug Geld zusammen. Stefan Morsch war der erste Europäer, dessen Leukämie durch die Transplantation fremder Stammzellen geheilt wurde. Doch kurz vor der geplanten Heimreise verstirbt er an den Folgen einer Lungenentzündung. Aber ein besonderer Wunsch von ihm wirkt weit über seinen Tod hinaus: „Bei einem Interview vor laufender Kamera rang Stefan unserem Vater das Versprechen ab, dass sie gemeinsam eine Stammzellspenderdatei aufbauen, um anderen Betroffenen zu helfen. 1986 haben meine Eltern dieses Versprechen in die Tat umgesetzt und der Stiftung seinen Namen gegeben.“
Stefan Morsch erkrankte in den 80er Jahren an Leukämie. Foto: Herbert Piel
Was zunächst am Wohnzimmertisch der Familie Morsch beginnt, ist heute eine hocheffiziente und international vernetzte Datei. Jedes Jahr werden von hier aus rund 600 lebensrettende Spenderinnen und Spender für Betroffene weltweit gefunden und vermittelt. So können sich Menschen rund um den Globus gegenseitig helfen. Ein Meilenstein in der Geschichte ist die Eröffnung des eigenen Speziallabors, in dem Mitarbeiter seit 23 Jahren Blut- und Speichelproben möglicher Lebensretter auf die transplantationsrelevanten Merkmale hin analysieren. Auch ein internationales Suchzentrum, das im Auftrag von Kliniken seit rund 20 Jahren weltweit passende Spender sucht, ist an die Stiftung angeschlossen. Ein weiteres wichtiges Anliegen der gemeinnützigen Organisation ist, für Betroffene ein Ansprechpartner zu sein und sie persönlich in dieser schwierigen Zeit zu begleiten. Die Stiftung bietet auch Unterstützung, wenn Patienten durch die Erkrankung in finanzielle Not geraten sind. Das ist nur möglich durch Geldspenden, mit deren Hilfe ebenfalls die Kosten für die Neuregistrierungen von potenziellen Lebensrettern realisiert werden können. Außerdem fördert die Einrichtung regelmäßig Forschungsvorhaben, mit dem Ziel, die Behandlung von Leukämiepatienten nachhaltig zu verbessern. „Es war ein weiter Weg von unserem Wohnzimmer bis zu einer international anerkannten und vernetzten Einrichtung mit mehr als 70 Mitarbeiter. Ich denke, Stefan wäre stolz. Was sich in den 35 Jahren allerdings nicht geändert hat: Damals wie heute nehmen wir Leukämie persönlich. Wir haben die Menschen und ihre Situation im Blick. Unser Ziel ist es deshalb, für jeden Menschen mit Blutkrebs einen passenden Spender zu finden“, betont die Vorstandsvorsitzende.
Wie kaum eine andere medizinische Therapie ist die Stammzelltransplantation auf Solidarität angewiesen. Denn ohne Menschen, die freiwillig und unentgeltlich Stammzellen spenden, etwa für Leukämiekranke, hätten allein in Deutschland jedes Jahr etwa 3.500 Menschen mit Leukämie keine Chance zu überleben. „Die Diagnose Blutkrebs ist für Betroffene und ihre Familien ein Alptraum. Pläne lösen sich plötzlich in Luft auf, der Alltag bricht zusammen und die Erkrankung breitet sich in alle Lebensbereiche aus. Dennoch gibt es heute Hoffnung: durch die Transplantation von Stammzellen eines sogenannten genetischen Zwillings, der die gleichen genetischen Gewebemerkmale hat, wie der Patient“, erklärt Susanne Morsch.
Aktuell macht sich die gemeinnützige Organisation auch für die Bekämpfung der Corona-Pandemie stark. So beteiligte sich das Labor maßgeblich an einer Forschungsstudie und unterstützt im Auftrag des Gesundheitsamtes bei der Testung von Verdachtsfällen. „Bei der Stammzellübertragung ist Solidarität und Zusammenhalt gefragt. Das Gleiche gilt auch für Corona“, betont Susanne Morsch. Die aktuellen Auflagen stellen aber auch die Suche nach neuen Stammzellspendern vor Herausforderungen: „Typisierungsaktionen vor Ort sind aktuell nicht möglich. Deshalb fehlen uns jetzt, zu Beginn unseres Jubiläumsjahres, über 10.000 neue Spender im Vergleich zu 2019. Doch Blutkrebs macht trotz Covid-19 keine Pause. Nach wie vor erkranken Menschen daran und sind auf eine Stammzelltransplantation angewiesen. Gleichzeitig fallen jedes Jahr viele Spender weg, aus Alters- oder Gesundheitsgründen. Es ist mehr denn je wichtig, dass sich vor allem junge Menschen bei uns registrieren“, erklärt Susanne Morsch. Dies ist, ganz Corona-konform und einfach, über die Homepage der Stiftung möglich, unter www.stefan-morsch-stiftung.de. Dort muss man lediglich drei kurze Fragen beantworten und seine Kontaktdaten angeben. Dann erhält man ein Registrierungs-Set per Post mit genauer Anleitung, um eine Speichelprobe durchzuführen. Diese muss dann lediglich an die Stiftung zurückgeschickt werden.
Foto unten:Foto: Stefan-Morsch-Stiftung