Genießen mit allen fünf Sinnen in der StadtGalerie Mennonitenkirche Neuwied
Einführung in die Zeit des Barocks, die den Besucher die Geschichte fühlen lässt.
Anders wie im Geschichts- oder Kunstunterricht in der Schule, in dem es nur um Zahlen und Stilmerkmale geht, wurde die Epoche Barock durch die Einführung von Oberbürgermeister Nikolaus Roth und der Kuratorin Gisela Götz lebendig und ist durch einen Rundgang durch die Ausstellung erlebbar.
Die Kuratorin und der OB mit Künstlern vor der Tulpen Stockage von Luzia Simons
von links nach rechts: Juta Arztmann, Kuratorin Gisela Götz, Marie Schäfer, Sighild Simon, OB Nikolaus Roth, Sabine Prechtel, Thea Block, Monika Wegmann-Jung
Auch Neuwied wurde durch die Barockepoche beeinflusst, wurde die Stadt doch in dieser Zeit geplant und gebaut. Zwar ist es im Stadtbild selten so sichtbar wie beim Schloss Engers, dies ist aber der Geschichte geschuldet, da Neuwied trotz Religionsvielfalt sehr evangelisch war. Die Reformationsbewegung, die in ihrer Grundstruktur eher karg war. Der Mensch sollte in einer Kirche nicht von üppigen Gemälden und verzierten Einrichtungen abgelenkt werden, sondern sollte einen freien, kargen Raum haben, um Gottes Geist zu spüren. Ein Denken, das auch als Gegenbewegung gegen den geldlichen Ablass der katholischen Kirche entstanden ist.
Barock wiederum ist die Gegenbewegung gegen die Reformation. Selbstbewusstsein, Eitelkeit und Genuss mit allen Sinnen: Fühlen, Sehen, Schmecken, Hören und Riechen. Wie auch die Ausstellung heißt: Schauen und Schwelgen.
Genuss mit allen Sinnen – wir sind eitel, wir stehen dazu, sehen aber auch das Vergängliche wie Andreas Gryphius(1616-1664) in seinem Gedicht beschreibt:
„Es ist alles eitel
Du siehst, wohin Du siehst,
nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute bau,
reißt jener morgen ein.
Wo jetzt noch Städte stehn,
wird eine Wiese sein,
auf der ein Schäferskind
wird spielen mit den Herden.“
Und diese Akzeptanz des Vergänglichen sieht man in vielen barocken Gemälden. Voll von Völlerei ist fast immer ein Teil des Sterbens mit dabei (Vanitas-Gedanke).
Dies zeigen die Werke der heutigen Künstler nicht unbedingt. Sie interpretieren, lassen sich beeinflussen von barocker Kunst und zeigen dabei ihren eigenen Ausdruck.
Die Ausstellung zeigt den Spagat zwischen Barock und moderner Interpretation. Besonders beeindruckt das große Tulpenbild von Luzia Simons. Sie arrangiert dazu Tulpenblätter und -Stiele auf der Glasplatte eines Scanners, so dass sie zu schweben scheinen. Bei genauen Hinsehen entdeckt man aber auch Spuren des Verwelkens. So greift Luzia Simons den Vanitas-Gedanken auf.
(c) Luzia Simons - Stockage 79
Tulpen spielten im Barock eine große Rolle. Was wir heute als eine preiswerte Blume im Frühjahr ansehen, war im Barock eine „Gold-Anlage“. Die Zwiebeln waren irre teuer und wurden entsprechend gehandelt. Bis ein Pilz die Knollen befiel und zu einem ersten „Börsen-Crash“ führte.
Die Ausstellung zeigt aber noch mehr: die Kraft der Natur – Äpfel in Überdimension von Jiri Kolar. Das Wunder der Natur. So viel Gutes und Süßes gehalten von einer dünnen Schale – einfach perfekt und göttlich. In seiner augenscheinlichen Einfachheit ein scheinbar radikaler Gegensatz zu dem Pomp und Übermaß des Barocks. Und trotzdem passend zu der Maxime der fünf Sinne.
Wenn Sie das nächste Mal Tomaten waschen, können Sie das leicht nachvollziehen: schärfen Sie Ihre Sinne, fühlen Sie das pralle Fruchtfleisch gehalten von einer dünnen Schale. Sehen Sie wie an ihr das Wasser abperlt und riechen Sie. Das ist Barock im heutigen Alltag. Und genau das zeigt ein Teil der Bilder.
Aber auch historisches ist zu entdecken, wie ein alter Stadtplan von Neuwied – im Barock geplant und erbaut.
Auch das Hören kam nicht zu kurz: Das Ehepaar Helen (Sopran) und Christian (Klavier) Rohrbach begleitete die Veranstaltung musikalisch unter anderem mit Händel und Mozart.
Sie so stimmgewaltig, dass der Kirchsaal für diese Akustik fast zu klein war, aber auch mit leisen klangvollen , begleitet von ihrem Mann am Klavier passte mit Ihrer Musik perfekt zum barocken Thema.
Sopranistin Helen Rohrbach
Die Kuratorin Gisela Götz ergänzte die einleitenden Worte des Oberbürgermeisters Nikolaus Roth mit Details zu den Bildern und Künstlern.
Schlussendlich lässt sich feststellen, dass die Barockzeit durch ihre Eitelkeit und mit dem damaligen Bau Wahn großen Einfluss auch auf die heutige Zeit hat, auch wenn gerne dabei die Armut der kleinen Leute vergessen wird.
Und auch heute können wir es mitnehmen mit allen fünf Sinnen zu leben und zu genießen. Und das geht auch im Kleinen. Genießen mit Rücksicht auf andere macht glücklich.